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Interview mit UTMARKEN (20.02.2021)
Der Stern des Folk Metal war in den 2000ern tief gesunken und das Genre genießt auch heute keineswegs den besten Ruf, gleichwohl im internationalen Underground immer wieder hoffnungsfrohe Bands schwungvoll an den Start gehen, um dem Genre neues Leben einzuhauchen.
Die schwedische Band UTMARKEN besteht im Studio aus Bandgründer Mathias Gyllengahm und Lead-Gitarrist Jörgen Wikberg, und was die beiden - pardon: mittelalten Säcke - mit ihrem dritten Album "Svåra år" verwirklicht haben, ist kaum weniger als prächtig: Zehn hymnenhafte Hits und eine Power-Ballade, die vor lauter Enthusiasmus einfach nur mitreißen und vieles vergessen lassen - vorausgesetzt, die Hörerschaft besteht nicht aus Griesgramen und Miesepetern.
Dass Album Numero drei überhaupt erscheint, war vor allerdings vor geraumer Weile nicht abzusehen, wie der stets redefreudige Mathias zu berichten weiß.
Du kennst mich hoffentlich gut genug, um zu ahnen, dass ich mich über die goldenen Regeln und ungeschriebenen Gesetze des Music Biz amüsieren kann. Allerdings musst Du auch zugeben, dass es ziemlich ungewöhnlich ist, ein Album zu veröffentlichen, von dem etliche Lieder bereits lange zuvor publiziert wurden. Normalerweise wäre eine solche Veröffentlichung ein ungeschickter Schachzug, doch bei "Svåra År" macht das alles Sinn, denn es handelt sich um "no fillers - only killers"! In solchen Kategorien denkst Du ohnehin nicht, oder?
Haha, ich verstehe, worauf du anspielst und ich kann nicht behaupten, dass diese Veröffentlichung geschickt ist, doch es gibt einen guten Grund dafür: Das Album war bereits Ende 2018 so gut wie fertiggestellt, doch dann erlitt ich eine Verletzung im Nacken, die mich für eine Weile komplett - und ich meine KOMPLETT - lahmlegte. Ein bis zwei Monate war noch nicht mal klar, ob ich jemals wieder ein gewöhnliches Leben führen könnte. Mehrere Festivals und eine Tour waren gebucht. Als schließlich klar war, dass wir es auf einen Versuch ankommen lassen, war das Album eben noch nicht erschienen, doch wir brauchten neue Songs, und daher veröffentlichten wir einige vorab als Singles - und die Arbeit am Album blieb liegen. Irgendwie ging das in all dem Chaos unter. 2020 war dann nicht weniger chaotisch, wie du wohl auch bemerkt hast, doch letztlich galt es, dieses Kapitel endlich abzuschließen. Für mich selbst liegen diese Lieder schon sehr weit zurück, doch nun hören einige Leute sie zum ersten Mal, denn sie erscheinen eben gebündelt als Album. Und ich bin überzeugt, dass diese Lieder es wert sind und dass es sich um ein starkes Album handelt. Dennoch tun mir die Die-Hard-Fans ein bisschen leid, die bereits so viel vom Album vorher gehört haben.
Dem dritten Album wird auch nachgesagt, dass es ganz entscheidend ist für den zukünftigen Weg...
Ja, ich weiß: "Do or die!" Dieses Motto schwebte während meiner Arbeiten am Album über mir wie ein Damoklesschwert. Mir war es wichtig, ein neues Level zu erreichen. Wenn ich mir nun das ganze Album anhöre, denke ich, dass mir das gelungen ist - dabei kann ich allerdings nicht sagen, was diese Steigerung bewirkt. Doch wenn ich mir die Reaktionen auf die Singles vor Augen führe, dann stimmt die Formel dieses Mal offensichtlich. Auf die ersten beiden Alben erhielten wir nicht ansatzweise solche Rückmeldungen wie zuletzt. Es mag damit zusammenhängen, dass das Material ein bisschen einfacher gestrickt ist und die Lieder schneller auf den Punkt kommen. "Jaktmakter" hat sich sogar über einen Monat lang in den "Viral 50 in Schweden" Charts auf Spotify gehalten. Dieses Album entstand auch nicht unter so viel Stress wie die ersten beiden, sondern ist durchdachter und die Produktion ist gelungener, gleichwohl natürlich vieles besser hätte laufen können - wie bei jedem Album.
Du stimmst aber doch zu, dass diese Lieder dringend auf die Bühne gehören? Auf mich machen sie den Eindruck, als ob sie sehr von Euren früheren Gigs und Eurer gewachsenen Bühnenerfahrung zehren...
Ja, wir spielten alle Songs von diesem Album, die wir bereits zuvor veröffentlich hatten, auf unserer Tour anno 2019. Sie kamen alle sehr gut an, vor allem "Jaktmarker", obwohl dieses Lied ein bisschen langsamer ist, doch es brachte die Meute vor der Bühne zum Hüpfen! Und auch "Triumfera" wird ziemlich abgefeiert.
Ich kann mir gut vorstellen, dass UTMARKENs Ausdruckskraft für manche etwas zu viel des Guten ist, denn zehn der elf Lieder klingen verdammt energiegeladen und leidenschaftlich - woher nimmst Du bloß diese Energie?
Das kann ich nicht sagen, denn ich erlebe mich nicht unbedingt als Draufgänger, allerdings mühe ich mich anzuerkennen, dass das Leben kein leichtes ist. Mir ist aufgefallen, dass ich dazu neige, eher den beschwerlichen Weg als den einfachen einzuschlagen, und dass sich diese Entscheidungen letztlich bezahlt machen. Denn selbst wenn ich scheitere, lerne ich etwas dabei. Und wenn es so etwas wie eine Kernaussage bei UTMARKEN gibt, dann geht es vor allem darum, Menschen zu inspirieren: Lasst euch nicht herunterziehen, sondern werdet aktiv, findet euren eigenen Weg, eure Bestimmung. Widmet euch dem, worin ihr gut seid und versucht, das Beste daraus zu machen, zu eurem eigenen Besten. Vielleicht handelt es sich dabei auch um meine Strategie, mich aus den Abgründen emporzukämpfen, in die ich mich immer wieder hineinmanövriere. Es gibt so viel Schmerzen und Leid in dieser Welt, mehr als wir ertragen können. Wir können uns jedoch dazu entschließen, ein Leben zu führen, in welchem wir dieses Leid verstärken - oder verringern. Ich hoffe, ich kann zu letzterem beitragen. Ich weiß nicht, ob ich dabei erfolgreich bin, doch das ist mein Wunsch. Ich möchte Menschen ermutigen anstatt sie herunterzuziehen!
Und woher kommen die ganzen unwiderstehlichen Ohrwürmer?
Ich habe für 200 Dollar einen Online-Kurs gebucht: "Wie ich garantiert Hits schreibe - die Erfolgsformel. Lerne die geheimen Tricks erfolgreicher Songwriter!" Haha!
Nö, im Ernst: Ich habe keinen blassen Schimmer. Sie tauchen einfach auf, vor allem, wenn ich ich eintöniger Handarbeit nachgehe, zum Beispiel wenn ich draußen Feuerholz mache. Oder wenn ich wandere.
Was hat es mit dem Albumtitel auf sich, gibt es einen roten Faden, der die Lieder verbindet?
"Svåra år" heißt übersetzt "Schwere Jahre", und in den Texten von UTMARKEN ging es bereits zuvor immer auch um den Untergang, doch handelt es sich auf dem neuen Album dabei um keinen roten Faden. Im Gegenteil, es gibt einige Lieder, die - zumindest für UTMARKEN-Verhältnisse - sehr positiv ausfallen, zum Beispiel "Triumfera" und "Friheten". Ich kann kein anderes Konzept erkennen als das bekannte UTMARKEN-Konzept.
Angesichts der unsicheren Zeit, in der wir aktuell leben, und die auch die Musikindustrie wie den Live-Sektor betrifft, endet das Album mit einem ruhigen Ausklang namens "Vindlande Stigar I Natten". Als ich diesen Song schrieb, war ich mir nicht sicher, ob es mit UTMARKEN weitergehen wird. Ich hatte jedoch mit dem Album das Gefühl, glücklich zu sein über das Erreichte. Wenn dieses dritte Album also das letzte von uns wäre, dann wäre es ein gutes Ende. Doch mittlerweile bin ich überzeugt, dass es wichtiger denn je ist, in 2022 mit einem völlig neuen und frischen UTMARKEN-Album am Start zu sein, gerade wo sich nun andeutet, dass 2021 mit ziemlich großer Sicherheit ein weiteres verlorenes Jahr im Hinblick auf Konzerte sein wird. Und wer kann heute schon sagen, was 2022 bringen wird?
Ich schätze mal, dass "Friheten" nicht unbedingt aktuelle politische Themen behandelt, doch bist Du Dir bewusst, dass Schweden mit seinem eigenen Krisen-Management derweil ein hitzig diskutiertes Thema im Ausland geworden ist? In Deutschland weisen einige liberale Stimmen darauf hin, dass die persönliche Freiheit in Schweden nach wie vor wertgeschätzt wird - zumindest im Vergleich mit unserem Land. Würdest Du auch sagen, dass Du in Deiner Freiheit wenig eingeschränkt wirst - und wovon handelt das Lied?
Sowohl ja als auch nein. Falls du auf eine Art "Strategie" anspielst, die Schweden im Vergleich mit Deutschland besser aussehen lässt, dann solltest du bloß nicht glauben, dass dahinter irgendein Plan steckte. Ich kann auch nicht erkennen, dass es jemals eine konkrete Entscheidung für mehr Freiheit aufgrund libertärer Ideale gab. Ich sehe eher, dass es in die entgegengesetzte Richtung geht. Die letztliche "Strategie" ergab sich schlicht und einfach daraus, dass es keine anderen Optionen gab. Es gab keine Ressourcen, keine Vorbereitungen, keine durchsetzungsstarken Entscheider, keine Autoritäten, die strenge Maßnahmen hätten durchsetzen können, und so weiter. Daher entschlossen sich die Politiker, es so aussehen zu lassen, als hätten sie einen Plan, doch ich glaube nicht, dass es einen solchen jemals gab.
Deshalb genießen wir hier im Vergleich mit anderen Ländern und deren harten Lockdowns noch mehr Freiheiten. Ich habe gesehen, dass die Gesamtzahl der Sterbefälle in einigen anderen Jahren bereits höher war als in 2020 (mit kleinerer Bevölkerung), daher nehme ich an, dass ihnen das in die Karten spielt. Seltsam scheint mir allerdings, dass nun auch hier strengere Maßnahmen ergriffen werden sollen und mittlerweile wohl eine Strategie ersonnen wurde. Und die gefällt mir absolut nicht...
Ich habe über den Song "Friheten" eine Weile nachgedacht, und ich denke, es ist ziemlich naheliegend zu sagen, dass man Freiheit bevorzugt gegenüber - nun ja, weniger Freiheit. Wer mag schon seine Freiheit einbüßen? Doch es handelt sich auch um einen heruntergerockten Begriff - was bedeutet er wirklich? Kann ich wirklich von mir behaupten, dass ich mich - wie ich singe - "für die Freiheit entscheide"? Ist das eine ehrliche Aussage?
Ich glaube - und ja, es ist wirklich nur ein Glaube - dass wie alle Tiere auch wir Menschen unsere Nische und unsere Bestimmung auf diesem Planeten haben. Und ich glaube, es ist unsere Aufgabe, Freiheit wertschätzen zu lernen und herauszufinden, wie viel sie uns wert ist. Die Gesamtzahl unserer Handlungen wird schon irgendwo notiert werden und wenn eines Tages die Sonne explodiert und das Leben hier aufhört, wird abgerechnet. Freiheit stellt hohe Ansprüche und geht mit Verantwortlichkeit einher. Es gibt unterschiedliche Grade von Freiheit, und nur die wenigsten von uns lassen die Stadt zurück, um ein Leben jenseits der Gesellschaft zu leben, ohne Strom und ohne fließendes Wasser. Wir tauschen ein gewisses Maß an Freiheit ein gegen Komfort. Doch in welchem Ausmaß? Wie viel sind wir zu opfern bereit? Ich habe herausgefunden, dass ich gewillt bin, mehr zu opfern als die meisten Menschen in meiner Umgebung - doch längst nicht genug, um meinen eigenen Ansprüchen zu entsprechen.
Der unabhängige Waldgänger ist auf dem Cover von "Svåra år" zu sehen.
Obwohl es von einem Mann namens Mark Seydewitz gemalt wurde, war es letztlich unser guter Freund Thomas Väänänen (ex Thyrfing), der für das Cover verantwortlich zeichnet und überhaupt total wichtig für das ganze Album im Endergebnis war.
Du veröffentlichst "Svåra år" einerseits selbstständig, andererseits in enger Zusammenarbeit mit Einheit Produktionen, die auch Euer Debüt herausbrachten.
Einheit Produktionen sind bei diesem Album wieder als Partner am Start. Es gab ohnehin nie böses Blut zwischen uns, und die Eigenveröffentlichung des zweiten Albums hing mit anderen Umständen zusammen. Es fühlt sich umso besser an, dass wir nun wieder gemeinsam an einem Strick ziehen!